St. Sebastianus Bruderschaft Kalkum 1429 e.V.

Zahlen und Geschichtliches rund um die Bruderschaft

Zahlen: (Stand: 2009)

Unsere Bruderschaft hat zur Zeit 135 aktive und 30 passive Mitglieder, die sich in 8 Kompanien aufgliedern. Ebenfalls gehöhren der Bruderschaft 28 Witwen an. Kalkum ist ein Ortsteil von Düsseldorf und liegt im Norden der Landeshauptstadt.

2004: Auf der Generalversammlung der Bruderschaft im Jahr 2014 wurde das Jäger Corps als 9. Kompanie der Versammlung vorgestellt. Bei den Mitgliedern handelt es sich um 7 junge Männer im Alter von 16 bis 22 Jahren unter der Leitung von Daniel Pingel.

 

Aus der Geschichte der Bruderschaft:

Unsere Bruderschaft feierte im Jahr 2004 ihr 575-jähriges Bestehen, obwohl sie mit großer Wahrscheinlichkeit älter ist. Das Jahr 1429, wird seit vielen Jahren von der Bruderschaft als Gründungsjahr auch im Namen geführt. Wo und wann das Jahr 1429 als Gründungsjahr urkundlich genannt wird, ist heute nicht mehr festzustellen. Das älteste gefundene Dokument, in dem die Bruderschaft (damals vermutlich noch Marien-Bruderschaft) erwähnt wird, ist datiert vom 16. Juli 1434. Bei diesem Dokument, handelt es sich um einen Vertrag, in dem ein Landverkauf durch die damaligen „Verwahrer“ der Bruderschaft, Heinrich von Calcum und Johann Dorenbusch, mit Zustimmung ihres Pfarrers Johann von Syborch beurkundet wird. Ein denkbarer Zeitpunkt für die tatsächliche Gründung der Bruderschaft könnte das Ende der „zweiten Kalkumer Fehde“ mit der Stadt Köln im Winter 1405 auf 1406 sein, als sich die stadtkölnischen Söldner mit dem Erzbischof und dessen Truppen verbunden hatten und ganz Kalkum nieder brannten. Da dieses jedoch reine Spekulation ist, gehen wir bei unserem Jubiläum von einem Gründungsdatum im Jahre 1429 aus.


Bei solchen Jubiläen stellt sich häufig die Frage „was war das für eine Zeit in der nicht nur unsere, sondern viele Bruderschaften unserer Region gegründet wurden?“, „was waren das für Männer die sie gründeten?“ und „was wollten sie?“. Diese Fragen wurden schon oft gestellt und in vielen Reden und Schriften beantwortet, aber selten so schön ausgedrückt wie es 1953 der damalige Generalpräses Dr. Peter Louis in einer Kölner Festschrift tat.


Zitat:

„Es waren vom Glauben durchdrungene Männer, die sowohl das Werk der gewaltigen Dome als auch die Bildung der Bruderschaften übernahmen. Sie hatten einen Blick für die Aufgaben ihrer Zeit und gingen entschlossen ans Werk. Aus den Gründungszeiten können wir ersehen, dass die Bruderschaften immer dann gegründet wurden, wenn schwere Zeitaufgaben zu erfüllen waren. Als die Pest sich 1347 von Afrika kommend auch über ganz Europa ausbreitete und der schwarze Tod zehntausende Menschen hinraffte, da setzten sich Männer zusammen, die das Wort „Bruder“ als das vollkommenste Verhältnis von Mensch zu Mensch nahmen, um in echter Brüderlichkeit die Kranken zu pflegen, die Toten zu begraben, die Hinterbliebenen zu unterstützen und die verödeten Dörfer wieder aufzubauen“.

Zitatende.

Sowohl in Kriegs-, Pest- und sonstigen Notzeiten hat sich die Bruderschaft den Aufgaben der Zeit gestellt. Bei Tod oder Krankheit des Ernährers einer Familie leistete die Bruderschaft Unterstützung, sowohl bei der Bestellung der Felder und Gärten wie auch bei der Ernte, aber auch direkt mit Naturalien und Geld.


In den folgenden Jahrhunderten, in denen die Pest nur noch sporadisch aufflackerte, gab es für die Bruderschaften neue und zusätzliche Aufgaben. Sie schützten ihre Kirchen und Dörfer quasi als Bürgerwehr gegen vagabundierende Räuberbanden und Raubrittern, die zeitweise ganze Landstriche terrorisierten. Sie halfen beim Wiederaufbau der gebrandschatzten und zerstörten Häuser, Stallungen und Scheunen.

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Kalkumer Bruderschaft im 16. und 17. Jahrhundert ein Schattendasein führte, weil über diese Zeit praktisch keine Unterlagen verfügbar sind. Wie sich jedoch später heraus stellte, wurden diese bei einem Brand des Pfarrarchivs, in dem auch die Protokollbücher und sonstigen Unterlagen der Bruderschaft aufbewahrt wurden und zum Teil heute noch werden, fast vollständig vernichtet. Daher ist auch nicht bekannt, ob und in welcher Weise die damaligen Herren von Kalkum des Hauses von Winkelhausen an der Kalkumer Bruderschaft Anteil nahmen. Dass die Bruderschaft aber auch in dieser Zeit ihre Aufgaben erkannte und sich dieser Aufgaben annahm, kann als sicher angesehen werden. Nach dem Tode des Reichsgrafen Karl Franz von Winkelhausen im Jahre 1739 ging der Kalkumer Besitz auf den Grafen Edmund Florian Cornelius von Hatzfeldt über, dessen Gattin eine Schwester des Reichsgrafen von Winkelhausen und damit die eigentliche Erbin war.

Die Fürsten und Grafen des Hauses Hatzfeldt nahmen sehr schnell starken Anteil an der Arbeit der Bruderschaft und unterstützten sie in vielen Dingen. Die Silberplatten an unserer Königskette zeigen, dass sie nicht nur als Protektoren und Berater mitwirkten, sondern das auch mehrmals ein Mitglied des Hauses Hatzfeldt die Königswürde erringen konnte. So war bereits 1746 Carl Eugenius Graf von Hatzfeldt Seigneur de Calcum et Winkelhausen Schützenkönig in Kalkum. Im Jahre 1773 gelang es dem letzten Land-marschall des Herzogtums Jülich, Edmund Graf von Hatzfeldt, den Vogel abzuschießen und damit die Königswürde zu erringen. Im Jahre 1808 wird wieder ein Graf Edmund von Hatzfeldt in den Protokollbüchern als neuer Schützenkönig genannt. Dieser ist jedoch nicht mit dem Schützenkönig von 1773 identisch, sondern ein jüngeres Mitglied des Hauses Hatzfeld.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts büßte die Bruderschaft unter der sehr dominanten Führung ihres damaligen Präsidenten Pfarrer Johannes Theodor Joseph Fowinkel viel Ihrer Handlungsfreiheit ein. Sie wurde durch die im hinteren Teil dieser Festschrift abgedruckten Statuten von 1822 fast zu einer reinen Kranken- und Sterbeversicherung.

Die strengen Regeln dieser Statuten schränkten nicht nur das Sebastianus- und das Schützenfest stark ein, sondern entmachteten praktisch auch den Vorstand zu reinen Erfüllungsgehilfen des Präsidenten. So wurde zum Beispiel der Brudermeister zum Ladenmeister (Kassierer) und der Hauptmann zum Aufseher. Diese Satzung, zu der nach unserer Kenntnis erst nach 60 Jahren die erste größere Änderung beschlossen wurde, legte genau fest wie viel jeder in die „Krankenlade“ zu zahlen hatte, wer wann und welche Kranken pflegen musste und wer bei welchen Krankheiten wie viel und wie lange Untersützung aus der Krankenlade bekam. Jede Unterstützungszahlung, wie überhaupt jede Ausgabe der Bruderschaft musste zuvor vom Präsidenten genehmigt werden.

Die St. Sebastianus-Bruderschaft Kalkum im Jahre 1892 mit Ihrem Präses
dem „Cooperator Pastoris“ Wilhelm Bergemann


Ebenso mussten alle Entscheidungen und Beschlüsse des Vorstandes und der Mitgliederversammlung vom Präsidenten genehmigt werden bevor sie in Kraft treten, bzw. durchgeführt werden konnten.


1892 stiftete Alfred Fürst von Hatzfeld-Wildenburg, der 1911 das Fest seiner 60-jährigen Zugehörigkeit zur Bruderschaft als Ehrenmitglied und Protektor feierte, der St. Sebastianus-Bruderschaft ein neues Schild für das Schützensilber.


Der Beginn des 20. Jahrhunderts bringt für die Bruderschaft eine andere Struktur. Unter dem Dach der Bruderschaft bilden sich in den ersten Jahren unterhalb des Vorstandes einzelne Gruppen (Kompanien).


Man kann als sicher voraussetzen, dass die Grenadier-Kompanie die älteste Kompanie der Bruderschaft ist und bereits zur Jahrhundertwende existierte, obwohl das Gründungsjahr in den Protokollbüchern nicht erwähnt wird. Die Dienstkleidung der Grenadier-Kompanie besteht seit jeher aus dem Schwarzen Anzug mit Zylinder. Da vor der Jahrhundertwende nur Soldaten, Polizisten und die Mitglieder des Spielmannszug in Uniform auftraten, ist es denkbar, dass sich die Grenadiere aus der Gruppe der Nichtuniformierten gebildet hat.


Im September des Jahres 1909 bat der damalige Major der Bruderschaft, Christian Bergs in einem Brief seine Durchlaucht Prinz Franz von Hatzfeldt Wildenburg, das Protektorat über die im Jahre 1907 gegründete Schützenkompanie zu übernehmen. Dieser Brief ist auf den nächsten Seiten als Faksimile und in Maschinenschrift zu sehen und zu lesen. Von dieser Neugründung vermuten wir, dass es sich hier um die Hubertus-Kompanie handelt. Eine leider nicht datierte Notiz, die vermutlich aus den Vorbereitungsgesprächen zur Fünfhundertjahrfeier stammt, bekundet die Gründung der Hubertus-Kompanie dagegen erst im Jahre 1908. Ob der oben erwähnte Brief dem Prinzen überhaupt zugestellt wurde, und wenn er ihn erhalten hat, ob er dieser Bitte entsprochen hat, ist nicht bekannt.


Unser Tambourcorps, welches im Jahre 1907 als Feuerwehr-Tambour-Corps gegründet wurde, schloss sich unmittelbar nach Ende des ersten Weltkrieges 1918 als neue Kompanie der Bruderschaft an.


Die Gründungsdaten der heute nicht mehr existierenden Jäger-Kompanie und der Freischütz-Kompanie sind nicht mehr feststellbar. Diese Kompanien wurden nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr neu aufgebaut. Ebenso ist es bei der Tell-Kompanie. Auch hier ist das Gründungsdatum nicht bekannt.

 

Erste und zweite Seite des Briefes an seine Durchlaucht Prinz Franz von Hatzfeld-Wildenburg



Hier dieser Brief in Maschinenschrift abgedruckt.

 

Calcum, den 29. Sept. 1909

An
Seine Durchlaucht
Herrn Prinz Franz von Hatzfeld Wildenburg
in Calcum
Durch die Hand des Schlossverwalters
Herrn Heer


Bitte


der St. Sebastianus Bruderschaft in Calcum um Übernahme des Protektorates über die im Jahre 1907 gebildete Schützenkompanie.
Unterzeichneter Verein erlaubt sich mit folgender Bitte an Seine Durchlaucht heranzutreten
Da die Einwohnerzahl in Calcum in den letzten Jahrzehnten bedeutend zugenommen, und die im 15. Jahrhundert gebildete St. Sebastianus Bruderschaft in der Mitgliederzahl sehr vergrößert hat, sah sich dieselbe veranlasst, eine neue Kompanie zu gründen. Dieses geschah im Jahre 1907 und zählt die Kompanie jetzt schon eine über 40 Köpfe starke Mannschaft, welche mit grünen Schützen-Uniformen ausgerüstet ist. Diese Kompanie steht unter dem Kommando eines Hauptmanns, dieser ist dem Major, welcher an der Spitze der Bruderschaft steht, unterstellt.

Da die Fürstlich Hatzfeld’sche Familie von jeher regen Anteil an der St. Sebastianus Bruderschaft nahm, wie dieses, die, in den Jahren 1746 – 1773 und 1808 von Carl Eugenius, Graf von Hatzfeld, Seigneur de Calcum et Winkelhausen sowie von Alfred Fürst von Hatzfeld Wildenburg im Jahre 1892 gewidmeten Schützensilber zeigen, so hoffen wir, dass Seine Durchlaucht auch die kleine Ehre der St. Sebastianus Bruderschaft annehmen wird, das Protektorat der Schützen Kompanie zu übernehmen, da der hochverehrte Herr Vater Seiner Durchlaucht das Protektorat über die gesamte St. Sebastianus Bruderschaft führt.

Sollte Seine Durchlaucht es vorziehen Vertreter der Schützen- Kompanie in Uniform zur Audienz zu empfangen, so würden wir mit größter Dankbarkeit Folge leisten.
In der Hoffnung keine Fehlbitte getan zu haben, unterzeichnet mit vorzüglicher Hochachtung
Der Vorstand der St. Sebastianus Bruderschaft Calcum

gez. Christ. Bergs
Major

 

 

Die St. Sebastianus-Bruderschaft Kalkum im Jahre 1910 mit ihrem
Präses, Pastor Conrad Wirtz ( unterste Reihe-sitzend mit Zylinder )


Der erste Weltkriege riss überall schwere Wunden, so auch in den Reihen unserer Bruderschaft. Viele Mitglieder waren gefallen oder kamen schwer verwundet aus dem Krieg zurück. Wenn auch aus Protokollnotizen dieser Zeit hervorgeht, dass bereits im Jahre 1920 wieder ein Schützenfest gefeiert werden konnte, sagt das noch nichts über diese schweren Nachkriegsjahre. Die Unterstützungen, die als Sterbegeld an die vielen Kriegerwitwen gezahlt werden mussten, und die rapide Geldentwertung, führten dazu, dass die Sterbekasse bald nicht mehr zahlungsfähig war und von Grund auf neu aufgebaut werden musste. Der Wille zusammenzustehen und den Neubeginn mit zu gestalten, zeigte sich auch in der Gründung des Reitercorps zu Beginn des Jahres 1921. Am Schützenfestumzug im Sommer des gleichen Jahres nahmen bereits 11 Reiter des neuen Corps in Uniform teil. Das letzte Gründungmitglied des Reitercorps, Jakob Hoffmann, der auch Ehrenmitglied unserer Bruderschaft war, starb am 03.07.2001 nach 80-jähriger Mitgliedschaft im Alter von 98 Jahren.

 

Das Reitercorps im Gründungsjahr 1921


Die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 500jährigen Bestehen der Bruderschaft im Jahre 1929 waren in Kalkum das herausragendste Ereignis zwischen den beiden Weltkriegen. Dass viele Kalkumer auch als Mitglieder an diesem Jubiläum teilnehmen wollten, zeigen die Mitgliederlisten dieser Zeit. So stieg die Mitgliederzahl in den beiden letzten Jahren vor dem Jubiläum von rund 180 auf stolze 215 Mitglieder. Zwei Jahre nach diesem Jubiläum erklärten etwa 20 – 25 wieder ihren Austritt. Damit zeigte sich aber auch, dass die steigenden Mitgliederzahlen keinen Bestand hatten.


In der Presse wurde die Organisation und Durchführung der Festveranstallungen, die fast ausschließlich in den Händen des Präsidenten lag, über alle Maßen gelobt. Aber auch der Vorstand und die Kompanien leisteten seit 1927 eine nicht zu unterschätzende Vorarbeit, wie aus Aufzeichnungen dieser Zeit zu ersehen ist. Das Festprogramm der Fünfhundertjahrfeier und einige Auszüge aus dem „Düsseldorfer Tageblatt“ vom 27.05.1929 sind auf den nächsten Seiten als Faksimile abgedruckt. Leider konnte der Protektor der Bruderschaft, Fürst Hermann von Hatzfeld-Wildenburg wegen eines notwendigen Krankenhausaufenthaltes nicht an diesem Jubiläum teilnehmen. Er stiftete der Bruderschaft eine neue Plakette für das Königssilber, die von Rentmeister Friedrich Reuber überreicht wurde.

 

Die Jubiläumsmajestäten des Jahres 1929
Schützenkönig Johann Leineweber und der Kronprinz Josef
Schmitz. Dahinter der Präsident Dr. Heinrich Saedler

Auszug der Majestäten, des Präsidenten, der Ehrengäste sowie der
Vorstände und Majestäten der Gastbruderschaften aus dem Schlosshof

Dieses ist vermutlich die Zeppenheimer Freischützkompanie

Der Präsident Dr. Heinrich Saedler mit Majestäten,
Vorstand und Ehrengästen vor der Kirche


Nachfolger des Jubiläumskönig wurde Jakob Zensen, der auf dem Bild oben als vierter von links zu sehen ist.
Nach den Jubiläumsfeierlichkeiten konnte man sich wieder anderen Dingen zuwenden. Da wurden sehr ernsthaft organisatorische Dinge aufgegriffen, die wir rückblickend nur belächeln können. So teilte der Vorstand der Grenadier-Kompanie dem Bruderschaftsvorstand im Mai des Jahres 1931 mit, dass die Grenadier-Kompanie auf ihrer Versammlung beschlossen habe, die Kompanie in ein Bataillon umzuwandeln.

Grenadier- Battl.


Kalkum, den 17/5.31.


An
den Hauptvorstand der St. Sebast. Bruderschaft
In der heutigen (Sonntag 17/5.) Komp,-Versammlung, die im Vereinshaus stattfand, wurde folgendes beschlossen: Aus der Grenardier-Komp. wird ein Grenardier-Battl. gebildet, bestehend aus zwei Komp., der I. Komp. in weißer Hose und der II. Komp. in Schwarzer Hose. Zum Führer der I. Komp. wurde Blomenkamp und zum Führer der II. Komp. wurde Jakob Zensen gewählt. Ein Major wurde nicht gewählt.


DerVorstand
Des Grenardier-Battl.
I.A. Blomenkamp

Dieses eigenmächtige Handeln der Grenadiere fand nicht die uneingeschränkte Zustimmung des Bruderschaftsvorstandes. In einem zweiten Brief der Grenadiere der im Herbst des gleichen Jahres an den Bruderschaftsvorstand gerichtet wurde, wird bis in alle Einzelheiten dargelegt, dass die Grenadier-Kompanie aufgrund eines Vermächtnisses die komplette Majorsausrüstung des Christian Bergs erhalten hat. Da aber nach den militärischen Regeln ein Major keine Kompanie, sondern ein Bataillon führt, muss erst ein Bataillon gebildet werden. Erst dann kann ein Grenadier zum Major gewählt oder ernannt werden, damit die Grenadiere auch den Nutzen des Vermächtnisses in Anspruch nehmen können. Mit dieser Begründung baten sie den Vorstand der Bruderschaft die Umformierung der Grenadiere und die Genehmigung zur Wahl oder Ernennung eines Majors oder Bataillöners auf die Tagesordnung der Generalversammlung im Januar zu setzen, und über den Antrag und dessen Rechtmäßigkeit abzustimmen:
Da die Bezeichnung Grenadier-Bataillon später nicht mehr erscheint, kann davon ausgegangen werden, dass diesem Antrag auf der Generalversammlung nicht zugestimmt wurde.


Es dauerte nicht lange, da kamen andere und bedeutend größere Probleme nicht nur auf die Bruderschaften, sondern auf ganz Deutschland zu.


Durch die hohe Zahl der Arbeitslosen und die damit einhergehende Armut fanden die Parolen und Versprechungen der Nationalsozialisten bei vielen Menschen schnell Zustimmung. Sie sahen in dieser Partei die einzige Möglichkeit für eine bessere Zukunft. Dass dies ein Trugschluss war, fiel den Wählern dieser Partei erst auf, als es schon zu spät war.


Schon kurz nach der Machtergreifung begann das Regime damit die gewünschte Gleichschaltung mit einem immer stärkeren Druck auf die Bevölkerung durchzusetzen. Alle Personen oder Gruppierungen, die der NSDAP kritisch gegenüberstanden, wurden benachteiligt. Die kirchlichen Jugendverbände durften nur noch bei religiösen Veranstaltungen ihre Kluft tragen. Bei den Beamten erfolgte der Druck in der Weise, dass nur noch Beamte die der NSDAP angehörten befördert wurden. Auch die Bruderschaften gerieten ins Visier des Regimes. Ihre Mitglieder wurden aufgefordert zum Reichsbund für Leibesübungen überzutreten.
Nachdem der Druck, der immer stärker auf die Bruderschaften ausgeübt wurde, nicht zum gewünschten Erfolg führte, ( von der Kalkumer Bruderschaft traten, nach den Aufzeichnungen in den Mitgliederlisten nur 13 der ca. 180 Mitglieder zum Reichsbund für Leibesübungen über ), wurden die Bruderschaften am 6. März 1936 generell verboten.
Trotz des Verbotes wurde diese Zeit gemeistert, da die meisten Vorstände der Bruderschaften wie hier in Kalkum im Verborgenen weiter arbeiteten und so die Bruderschaft aufrecht erhielten.


Im Jahre 1938 versuchte der „Reichsbund für Leibesübungen“ mit einem eigenen Schützenfest noch einmal die Mitglieder der Bruderschaften für sich zu gewinnen. Doch auch dieser Versuch blieb erfolglos.

 

Wer nun geglaubt hatte, dass mit dem Kriegsende das Verbot der Bruderschaften aufgehoben sei, sah sich getäuscht. Die Militär-Regierung der Besatzungsmächte verhängten besonders im Rheinland erneut ein Verbot über alle Schützenvereine. Erst nachdem am 14. Mai 1947 unser Erzbischof Josef Kardinal Frings einem aufklärenden Brief über das Wesen der Bruderschaften an die Militär-Regierung sandte, konnte Generalpräses Dr. Peter Louis allen 3800 katholischen Bruderschaften mit dem auf der vorigen Seite abgedruckten vertraulichen Rundbrief im Juli 1947 mitteilen, dass sie nicht mehr unter das Verbot der Schützenvereine fallen.


Nach dem 2. Weltkrieg stand auch unsere Bruderschaft vor einem Neubeginn. Viele Mitglieder der Bruderschaft, besonders von der jüngeren Generation, waren aus dem Krieg nicht mehr heimgekehrt. So war es nur folgerichtig, dass sich die Bruderschaft in den Nachkriegsjahren intensiv um die Jugend bemühte.


Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass bereits bei der Generalversammlung im Januar 1949 die Initiative zur Bildung von Jugendgruppen entstanden ist. Diese Gruppen sollten durch die Teilnahme an den Festzügen am Schützenfest an die Bruderschaft herangeführt werden. Vorrangig war jedoch das erste Nachkriegsschützenfest im Jahre 1947, bei dem Willi Zensen aus der Grenadier-Kompanie Schützenkönig wurde. Zu seiner Schützenkönigin erwählte er Christine Schmitz.

Brudermeister Willi Franzen mit seinem Adjutanten Bernhard Helten

Die Königskutsche im Festzug auf der Oberdorfstraße kurz vor dem Pastoratskreuz


Joseph Hillebrand, Küster, Organist Chorleiter und nebenberuflicher Trichinenbeschauer
repräsentierte als Schützenkönig mit seiner Frau Else als Königin im Jahre 1954/1955 unsere Bruderschaft.

 

Danach wurde die Jugendarbeit aufgenommen. Der Grenadier Christian Blomenkamp sammelte und betreute die Jugendlichen in hervorragender Weise. Diese Jugendarbeit führte im Jahre 1952 zur Gründung der Lambertus-Kompanie. Weitere Gründungen von Jungschützenkompanien folgten dank der außergewöhnlichen Leistungen von Hubert Haak in den Jahren 1989 mit der Füsilier-Kompanie und 1994 mit der Quirinus-Kompanie.

Die bis jetzt letzte Kompaniegründung fand im Jahre 1999 statt. Hier fanden sich jedoch keine Jugendlichen sondern 11 Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren zum Calchem-Corps zusammen. Der Name Calchem wurde zur Erinnerung an das Rittergeschlecht gewählt, welches zur Zeit der Gründung unserer Bruderschaft in Kalkum herrschte. Diese trugen den Namen „von Kalkum“ in verschiedenen Schreibweisen, von denen Calchem neben Calcheim, Calgheim, Kalecheim und Calichheim besonders in den Anfangsjahren der Bruderschaft gebräuchlich war.

Wenn wir auch heute im Frieden leben, so sind die Aufgaben für die Bruderschaft nicht leichter geworden, sondern neue und andere Aufgaben sind an ihre Stelle getreten. Die Schlagworte unserer Zeit „Globalisierung“, „Fusionierung“, „Mobilität in der Arbeitswelt“, „Internet“, „Fernsehen“ und „Selbstverwirklichung“ führen zum Verlust des Heimatgedankens, zur Vereinsamung, und zu Eigenbrötelei bis hin zur inneren Heimatlosigkeit der Menschen. Dieser Gefahr entgegen zu wirken und den Menschen etwas Heimat und Zugehörigkeitsgefühl zu geben, ist heute mehr denn je die Aufgabe der Bruderschaften. Wenn wir uns heute die Bruderschaften, aber auch andere Vereinigungen in unserer Region etwas genauer ansehen, können wir feststellen, dass bei gleicher Zielsetzung in jedem Dorf oder Stadtteil die Schützenfeste, die kirchlichen Feste oder auch andere Veranstaltungen etwas anders begangen werden. Diese kleinen Unterschiede, die sich im Laufe von Jahrhunderten in Abhängigkeit von Umfeld und Lebensgewohnheiten entwickelt haben, sind das Salz in der Suppe einer jeden Gemeinschaft und sollten von der eigenen Gemeinschaft gepflegt, aber bei den Anderen auch toleriert werden. Das Gleichschaltung ein Weg in die falsche Richtung ist, haben uns das Naziregime und die sozialistischen Länder des Ostblocks sehr deutlich vor Augen geführt.
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, wie sie die Bruderschaften seit vielen Jahren in unserem Bezirksverband praktizieren, zeigt uns recht deutlich, dass sich Gemeinsamkeit und Individualität nicht widersprechen. Das unsere Bruderschaften auch nach Jahrhunderten noch nicht alt und verstaubt sind, beruht nicht zuletzt auf den Erfahrungen die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Denn: "Wer die Erfahrungen der Vergangenheit ignoriert, wird die Zukunft nicht meistern"

© Karl Theo von der Heiden