Statuten der St. Sebastianus-Bruderschaft zu Calcum
Verhandlung vom 25. Februar 1822
Im Namen der hl. Dreieinigkeit !
Nachdem die in der Gemeinde Calcum von uralten Zeiten her bestehende Bruderschaft unter dem Titel des hl. Martyrers Sebastian in Erwägung gezogen, dass an ihrer bisherigen Verfassung wohl Manches abgeändert und überhaupt ihrem Brudervereine eine neue, und dem Sinne der frommen Stifter angemessene Gestalt gegeben werden müsse, so haben sich die Mitglieder derselben versammelt, und nachdem sie sich ihre Ansichten mitgeteilt, und über die nun einzuführende Verfassung sich gemeinschaftlich beraten hatten, so sind dieselben über folgende Bestimmungen einig geworden und haben festgesetzt wie folgt:
Tit. I
Über den Vorstand der Bruderschaft.
- Da keine Gesellschaft ohne Ordnung, und keine Ordnung ohne Obrigkeit bestehen kann, so wird die Bruderschaft sich ihren Vorstand wählen, dem alle Mitglieder derselben Achtung und Gehorsam schuldig sind.
- Der Vorstand der Bruderschaft wird bestehen:
a) aus dem Präsidenten, b) aus dem Ladenmeister oder bisherigen Brudermeister und c) noch aus drei Mitgliedern als Räten. - Der Präsident der aus den Ortsgeistlichen gewählt wird, leitet unter Zuziehung der übrigen Mitglieder des Vorstandes die Geschäfte der Bruderschaft. Derselbe wird bei den Rechnungsablagen und bei allen Beratungen der Bruderschaft den Vorsitz haben, und ohne Vorwissen und Genehmigung desselben, darf weder Etwas in der Gesellschaftlichen Verfassung geändert, noch dürfen Ausgaben verfügt werden, so zwar, dass der Ladenmeister nur auf die Anweisung des Präsidenten auszahlen darf.
- Der Aufseher oder Hauptmann wird aus den fünf ältesten Mitgliedern durch Stimmenmehrheit gewählt, und wird diese Stelle drei Jahre behalten; jedoch kann er dieselbe früher niederlegen, wenn er es verlangt.
- Die Pflicht des Aufsehers besteht a) in der Aufsicht über das sittliche Betragen der Mitglieder, b) über die Erfüllung ihrer Pflichten, c) über die Verpflegung der Kranken. Derselbe wird d) bei allen Zusammenkünften der Bruderschaft gegenwärtig sein und Ordnung halten.
- Der Ladenmeister (Rendant) wird von dem Präsidenten vorgeschlagen und durch Stimmenmehrheit gewählt. Demselben ist der Empfang und die Ausgabe der Bruderschaft anvertraut.
- Derselbe wird jedes Jahr auf Sebastiani Tag dem Vorstande seine Rechnung ablegen, und wird von diesem sodann entweder für das künftige Jahr bestätigt oder durch eine neue Wahl durch denselben ersetzt.
- Der erwähnte Vorstand nimmt, wie schon bemerkt, die jährliche Rechnung ab, ist überhaupt für das Wohl der Bruderschaft resp. Krankenlade unablässlich besorgt, - vertritt in allen Fällen und Angelegenheiten die Bruderschaft, und was derselbe in jeder Hinsicht beschließt, wird von der Bruderschaft als beschlossen angesehen werden.
Tit. II
Über die Errichtung einer Krankenlade!
- Da die Bruderliebe von nun an der Hauptzweck dieser Gesellschaft sein soll, so haben die Mitglieder derselben ihr Augenmerk ganz vorzüglich auf die Einrichtung einer Krankenlade gerichtet.
- Weil jedoch die Einkünfte der Bruderschaft nicht bedeutend sind, so versteht es sich von Selbst, dass durch monatliche Beiträge ein Fond gebildet und in der Folge unterhalten werden muss.
- Diese Beiträge wurden einstweilen auf einen Silbergroschen acht Pfennige monatlich festgesetzt, die ein jedes Mitglied am letzten Sonntage eines jeden Monats (Vormittags) an den Ladenmeister bezahlen wird, so zwar, dass, wenn ein Mitglied drei Monate nacheinander mit seinen Beiträgen zurück bleiben sollte, dessen Namen sogleich aus der Bruderliste ausgestrichen werden soll.
- Schon mit dem laufenden Monat Februar fängt die Verpflichtung zum monatlichen Beitrage an; die Krankenlade selbst aber wird zuerst im folgenden Jahre geöffnet.
- Nach Sebastiani 1800 zweiundzwanzig erhält sodann jeder Bruder, wenn er krank wird, fünfzehn Silbergroschen fünf Pfennige wöchentlich, und wenn er stirbt, so erhalten gleich nach seinem Tod dessen hinterlassene Frau oder Kinder aus dem gedachte Fond vier Thaler achtzehn Silbergroschen sechs Pfennige. Sollte aber ein Bruder weder Frau noch Kinder hinterlassen, so hat derselbe während seiner Krankheit vor dem Präsidenten und zwei Zeugen zu erklären, wie und wozu der obige Betrag nach seinem Tode verwendet werden solle. Ohne diese Erklärung ist die Krankenlade sein Erbe, und es wird der erwähnte Betrag nach seinem Tode an dessen weitere Verwandten nicht ausbezahlt.
- Sollte in der Folge der Fall eintreten, dass wegen Menge der Kranken der vorrätige Fond nicht hinreichend wäre, die Unterstützungskosten und Sterbegelder zu bestreiten, so wird der Vorstand sich versammeln und beschliessen, ob durch ausserordentliche Beiträge das Deficit gedeckt werden soll.
- Die Lade (Cassa) befindet sich in der Kirche, wohin der Ladenmeister am Ende eines jeden Monates alles eingenommene Geld ü̈berbringen und in eine eigene Kiste verschliessen wird, wovon er selbst den ersten, und der Präsident den zweiten Schlüssel in Verwahrung hat.
Tit. III.
Von den Krankenpflegern und dem Bruderboten.
- Es werden jährlich auf Sebastiani drei Krankenpfleger gewählt, der erste für das Unterdorf, der zweite für das Oberdorf und der dritte für Zeppenheim.
- Die Krankenpfleger haben die schöne Pflicht auf sich, die in ihrer Nachbarschaft befindlichen Kranken zu besuchen, denselben die wöchentliche Unterstützung zu überbringen, und es dem Präsidenten anzuzeigen, wenn die Kranken ungeachtet des Pflegegeldes Mangel leiden sollten.
- Wenn daher er Bruder krank wird, so muss dieser dem Pfleger seiner Nachbarschaft die Anzeige davon machen lassen. Dieser setzt sogleich den Aufseher davon in Kenntnis, und beide begeben sich sodann in das Haus des Kranken, um sich von dessen Zustande zu überzeugen.
- Sollte der Aufseher und der Pfleger wahrnehmen, dass der angemeldete Kranke nur eine Krankheit erdichtet habe, um die wöchentliche Unterstützung zu erschleichen, so wird dessen Name ohne Weiteres aus der Liste der Brüder gestrichen.
- Wenn hingegen der Aufseher und der Pfleger von der wirklichen Krankheit sich überzeugt haben, so wird der Pfleger sogleich den Präsidenten davon benachrichtigen, der sodann auf der Stelle eine Zahlungsanweisung ausstellen und dem Pfleger übergeben wird.
- Wenn dem Pfleger von einem krank gewordenen Bruder keine Anzeige gemacht wird, so wird dies als ein Beweis angenommen, dass derselbe auf das Pflegegeld sowohl als auch das Sterbegeld verzichtet.
- Die Wahl der Krankenpfleger wird in jedem Jahre erneuert. Wenn aber ein Mitglied der Bruderschaft gewählt wird, um den Dienst eines Krankenpflegers zu übernehmen, so steht es demselben nicht frei, durch Entschuldigung die getroffene Wahl abzuschlagen, sondern er ist verbunden die Pflegestelle für ein Jahr zu übernehmen. Jedoch soll
- jedem Krankenpfleger ein Gehülfe zugestellt werden, welcher die Pflege der Nachbarschaft besorgen wird, falls der Pfleger selbst krank oder verhindert sein sollte.
- Endlich soll auch jährlich ein Bruderbote gewählt werden, der auf Geheiss des Präsidenten die Bruderschaft zusammen berufen und alle sonstige ihm etwa zu erteilenden Aufträge vollziehen wird.
- Für diese Dienstleistungen ist der Bruderbote während seines Dienstjahres von den monatlichen Beiträgen frei.
Tit. IV.
Von den Pflichten der Mitglieder:
- Am jährlichen Brudertage, nämlich am Festtage des hl. Sebastian ist jeder Bruder verpflichtet, dem hohen Amte beizuwohnen, um für die verstorbenen Stifter der Bruderschaft zu beten. Am zweiten Tage oder am Tage nach St. Sebastiani, wo die Anniversarien 1. für die verstorbenen Brüder aus der Bruderschaft, 2. für die Stifter der Bruderschaft abgehalten, wird es gewünscht, dass alle Mitglieder in dem ersten Hochamte zugegen sind; es bleibt aber unablässliche Pflicht für ein jedes Mitglied der Bruderschaft im zweiten Hochamte zu erscheinen.
Wer den in diesem Paragraph ausgedrückten Bestimmungen nicht nachkommen sollte, wird für jeden Tag mit fünf Silbergroschen wegen Nichterscheinens vom Vorstande bestraft. - Der Aufseher wird die Nichterscheinenden aufzeichnen und in der nächsten Versammlung dem Vorstande anzeigen.
- An diesen beiden Tagen ist jedoch das Arbeiten vor und nach dem Gottesdienste nicht verboten.
- Da vernünftige Ersparnisse zur Bereicherung der Krankenlade Vieles beitragen können, so ist beschossen worden, dass nur der St. Sebastiani-Tag ein Ermunterungstag für die Bruderschaft sein soll.
- Die an dem Tage nach Sebastiani bisher üblich gewesene Zusammenkunft ist also hiermit für immer abgeschafft.
- Am Sebastiani-Tage wird den Mitgliedern der Bruderschaft Morgens sowohl als Nachmittags ein dem Zustande der Lade angemessenes Trinkgelage gegeben werden.
- Wenn die Mitglieder Tanzmusik halten wollen, so ist dieses der Laune derselben überlassen; aus der Lade wird jedoch dazu nichts hergegeben.
- Der Aufseher wird sowohl bei dieser sowohl als bei allen anderen Zusammenkünften der Bruderschaft Ordnung halten, und von dem guten Sinne derselben lässt sich erwarten, dass die Mitglieder sich von allen bösen Beispielen und von allen Ausschweifungen enthalten werden; denn so sehr ein reines und ordentliches Vergnügen mit dem Zwecke der Bruderschaft übereinstimmt, eben so sehr würde auch Unmässigkeit und Ausschweifung den Zweck derselben schänden, und die Stifter im Grabe ärgern! Daher ist –
- allen Fremden, die nicht zur Bruderschaft gehören, der Eingang untersagt.
- Das Vogelschiessen am Montage nach der Gottestracht bleibt einstweilen in seinem alten Gebrauche. Jedes Mitglied wird daher vor dem Vogelschiessen zwei Silbergroschen Schussgeld an den Ladenmeister zahlen; hieraus erhält der Treffer oder sogenannte König drei Thaler zwei Silbergroschen vier Pfennige, wofür derselbe jedoch am nächsten Sebastiani Tage eine zweilötige silberne Platte an das Brudersilber zu liefern hat. Der Rest des Schussgeldes fliest in die Lade, wohingegen nach dem Vogelschiessen eine halbe Ahm Bier hergegeben wird.
- Ferner ist beibehalten worden, dass alle Mitglieder der Beerdigung eines verstorben Bruders beiwohnen müssen und zwar unter der Strafe wie oben (1. dieses Titels).
Tit. V.
Von der Aufnahme neuer Mitglieder:
- Die Aufnahme neuer Mitglieder geschieht in der Regel am Sonntage vor Sebastiani-Tag. Der Vorstand wird über die Aufnahme oder Nichtaufnahme der angemeldeten neuen Mitglieder erkennen.
- Wer in die Bruderschaft eintreten will, muss vor allem eines guten Rufes sich erfreuen und sich gut aufführen.
- Jeder bezahlt bei seiner Aufnahme dreiundzwanzig Silbergroschen zur Lade, sodann muss derselbe im ersten Jahre die monatlichen Beiträge entrichten und hat zuerst im folgenden Jahre ein Recht auf die Vorteile der Bruderlade.
- Ist der Ankömmling noch nicht vierzig Jahre alt, so zahlt er monatlich einen Silbergroschen acht Pfennige; ist er vierzig Jahre alt, so zahlt er monatlich zwei Silbergroschen vier Pfennige, und hat er das fünfzigste Jahr zurückgelegt, so muss er monatlich drei Silbergroschen einen Pfennig an die Lade entrichten.
- In folgenden Fällen werden die Namen der Mitglieder aus der Bruderliste ausgestrichen und sind mithin alles Rechtes auf die Vorteile der Gesellschaft verlustig, a, wenn sie es verlangen, b. wenn sie sich gegen die Vorsteher grob und ungehorsam betragen, c, wenn sie ihre Pflichten nicht erfüllen und sich weigern die deshalb festgesetzten Strafgelder zu bezahlen, d, wenn sie sich durch unsittliches Betragen, durch Zuziehung eines bösen Rufes, durch entehrende Vergehungen z. B. durch Stehlen usw. der Bruderschaft unwürdig machen.
- In keinem dieser oder sonst immer erdenklichen Fällen hat ein Mitglied, welches die Bruderschaft verlässt oder verlassen soll, ein Recht auf Entschädigung der früher geleisteten Beiträge.
Tit. VI.
Von den Ehrenmitgliedern:
- Um der Krankenlade Ansehen und Aussicht zu verschaffen, so werden auch Ehrenmitglieder aufgenommen.
- Wenn daher Personen von hohen Stande, (z.B. unsere gräfliche Ortsherrschaft) an diesem Verein sich anschliessen werden, um den milden Zweck derselben zu fördern, so wird die Bruderschaft Ursache haben, über einen solchen Zuwachs sich zu freuen.
- Die Namen der Ehrenmitglieder werden in ein eigenes Verzeichnis eingetragen.
- Ehrenmitglieder sind von allen in den obigen Titeln vorkommenden Verpflichtungen frei, verzichten aber auch auf die Unterstützungen und Sterbegelder.
Nach deutlicher Vorlesung wurde dieser neue Vereinigungsplan von sämtlichen anwesenden Mitgliedern genehmigt.
Calcum, am 25. Februar 1822. gez. Fowinkel, Pfarrer